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Wahlkampf - Spiel der Kräfte

Nur wer sich geschickt positioniert, hat am Ende die Nase vorn.

 Die Karten werden nach Auflösung der Regierung und Implementierung einer Übergangsregierung nun wieder neu gemischt. Die anstehenden Wahlen Ende September werden darüber entscheiden, wer den nötigen Zuspruch in der Bevölkerung erfährt, wer künftig Österreich regieren wird und wie sich die Machtverteilung im Parlament gestaltet.

Seit dem Ende von Türkis-Blau haben sich grundlegende Gegebenheiten verändert – nicht nur in der politischen Landschaft, damit einhergehend speziell auch in der medialen.

Kurz bleibt sichtbar

Sebastian Kurz verlor seine Poleposition in der Regierung und damit wichtigen medialen Boden für Profilierung und Positionierung in der breiten Öffentlichkeit. Obwohl nicht mehr Kanzler, erreicht er ein bemerkenswert hohes Berichtsvolumen.

Im Vergleich zu den Vormonaten fällt Kurz jedoch deutlich zurück. Ohne „Kanzlerbonus“ gestaltet es sich sichtlich schwieriger, medial im Gespräch zu bleiben und vor allem auch die Themenlandschaft mitzuprägen. Inhaltlich hat sich Kurz Anfang Juni zum Thema Pflege positioniert und ist damit der SPÖ bei diesem sozialen Kernthema zuvorgekommen.

Aber Kurz ist nicht mehr der mediale Überflieger – er hat mit Bierlein und Van der Bellen starke Konkurrenz bekommen. Kurz kann aber über seine gut gemanagten Socia-Media-Kanäle die geringere Präsenz in Massenmedien abfedern – er bleibt also sichtbar, wenn sich in den klassischen Medien derzeit auch andere stark in Stellung bringen können.

VdB als "Mann der Stunde"

So überholt die amtierende Kanzlerin Bierlein Sebastian Kurz beim Berichtsvolumen in den Massenmedien. Es ist aber nicht nur die höhere Präsenz, Bierlein kann darüber hinaus eine wesentlich bessere Berichtstonalität für sich verbuchen. Ebenso Bundespräsident Van der Bellen, der seit Monaten die politische Debatte in einem Ausmaß mitgestaltet, die ihresgleichen sucht. Dabei kann er eine überragende Berichtstonalität für sich verbuchen, von der andere politische Player aktuell nur träumen können.

Entscheidend für die Wahlen wird vor allem auch sein, wie sich die SpitzenkandidatInnen von FPÖ, SPÖ, Neos, Liste Jetzt und den Grünen entsprechend positionieren können. Im Juni jedenfalls hinken die kleinen Parteien noch deutlich hinterher.

SPÖ und FPÖ fallen zurück

Die FPÖ ist sichtlich angeschlagen – Strache ist immer noch Gegenstand der Berichterstattung, allerdings hat er nach dem Ibiza-Video sein Saubermann-Image verloren. Die Berichtstonalität für ihn liegt klar im negativen Bereich. Und sein Vis-a-Vis Kickl eckt nicht nur bei den anderen Parteien gehörig an sondern ist auch medial stark unter Beschuss. Einzig stabile Kraft innerhalb der FPÖ ist derzeit Norbert Hofer, der zwar beim Berichtsvolumen deutlich hinter Kurz oder Strache zurückliegt, sich aber anders als seine Parteikollegen Kickl und Strache auf einen stärkeren Rückhalt der Boulevardmedien verlassen kann.

Für SPÖ-Chefin Rendi-Wagner ist die mediale Landschaft derzeit ein steiniges Pflaster. Sie ist zwar stärkste Oppositionspolitikerin, liegt beim Berichtsvolumen aber deutlich hinter den Top-3 zurück. Zuwenig, wenn man den Kanzleranspruch stellt. Rendi-Wagner muss vor allem die sehr durchwachsene Berichtstonalität zu denken geben. Medial gelingt es ihr im Juni noch viel zu wenig, thematische Schwerpunkte zu setzen und sich inhaltlich zu positionieren. Statt dessen schlachten Medien immer wieder aufflammende Parteiinterna aus und greifen zuverlässig die Querschüsse aus Teilorganisationen oder Ländern auf. Was bleibt, ist eine sehr eindimensionale Berichtspraxis mancher Medien, die der SPÖ-Chefin schadet. Aus dieser Misere kann sich die SPÖ nur befreien, wenn sie Inhalte und klare Positionierungen statt Angriffsflächen bietet. Und im Wahlkampf darf man ruhig Ecken und Kanten zeigen.

Geringe Relevanz für kleine Parteien

Für die kleineren Oppositionsparteien gestaltet sich der Wahlkampf als besondere Herausforderung, da sie medial im Vergleich zu den Großen im Juni noch unsichtbar sind. Die Grünen holen etwas auf, zumal sie in den Umfragen mittlerweile wieder als ernstzunehmende Player wahrgenommen werden. Und Neos-Chefin Meinl-Reisinger erreicht zwar eine gute Berichtstonalität, allerdings bei so geringer Relevanz, dass sie davon kaum profitieren kann. Ein echter Startnachteil für Neos ist, dass sie im reichweitenstarken Boulevard immer noch kaum reüssieren können.

Es liegt auch an den Medien, im Wahlkampf den kleineren Parteien Raum zu geben, damit SpitzenkandidatInnen und Programme/Inhalte aller Parteien öffentlich platziert und diskutiert werden können. Trotz ständig steigender Relevanz alternativer Kommunikationskanäle bleibt die Bedeutung kritischer und breit berichtender Medien ein demokratiepolitischer Schlüsselfaktor – in Wahlkämpfen ganz besonders. 

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Grafik: Media Affairs

Rückfragehinweis:

Maria Pernegger
m.pernegger@mediaaffairs.at