Das ist auch insofern überraschend, als dass die MFG in der parteipolitischen Berichterstattung der etablierten Medien kaum eine Rolle spielte. Während die NEOS, deren mediale Präsenz im Wahlkampf durchaus beachtlich war, um ihren Einzug zittern mussten und letztlich nur knapp die 4% Hürde übersprangen, schaffte die MFG auf Anhieb locker den Einzug in den Landtag.
Mit ihrer Kritik an den Coronamaßnahmen und der Impfung konnten sie laut Wählerstromanalyse 16.000 ehemalige FPÖ WählerInnen, sowie 15.000 WählerInnen von der ÖVP abwerben. Selbst von den Grünen, der SPÖ und den NEOS gab es nicht unerhebliche Wanderungen zur MFG.
Dass sich die mediale Übermacht der etablierten Parteien nicht im Wahlergebnis widerspiegelt, liegt mit Sicherheit auch daran, dass sich zwischen deren Themensetzung und den von der Bevölkerung diskutierten Themen eine Kluft aufgetan hat. So spielte beispielsweise der Klimaschutz eine große Rolle in den Medien, rangiert aber laut einer SORA Umfrage bei den am meisten diskutierten Themen der OberösterreicherInnen lediglich an achter Stelle.
Derselben Umfrage zufolge war das Top-Thema in der Bevölkerung während des Wahlkampfs Corona. Diese Thematik wurde von den Parteien zwar am Rande aufgegriffen, spielte aber – abgesehen von Informationen über Impf- und Testangebote – eher eine untergeordnete Rolle in der parteipolitischen Berichterstattung. Selbst die FPÖ wollte sich mit Corona-Kritik nicht zu stark in den Medien positionieren.
Das dadurch entstandene Vakuum konnte über eine starke Online-Präsenz erfolgreich von der MFG gefüllt werden. Auf Facebook zählt die junge Partei beispielsweise über 20.000 AbonnentInnen und ihre Beiträge generieren hohe Interaktionsraten. YouTube Videos, in denen MFG-VertreterInnen zu Wort kommen, erreichen Klickzahlen jenseits der 100.000. So gelang es der Partei auch abseits der etablierten Medien mit ihren Corona-kritischen Positionen Fuß zu fassen und bei der Wahl zu reüssieren.
Die politische und kommunikative Agenda der Parteien zeigt eine zunehmende Entfremdung von den Menschen, ihren Ängsten und Bedürfnissen. Es war einer der großen Irrtümer in diesem Wahlkampf zu glauben, die WählerInnen würden schon wieder in früheren politischen Kategorien denken und handeln – im Gegenteil: Die tiefe Verunsicherung und Orientierungslosigkeit, die Corona und eine allgemein labile Gesamtsituation begründen, wird „die Politik“ noch lange fordern, wenn sie nicht überhaupt grundsätzlich neu gedacht werden muss.
Rückfragen:
Manuel Bonat
m.bonat@mediaaffairs.at
Quelle Titelbild: neogalileo, Adobe Stock #72634637
Wählerstromanalyse: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wahlen/landtagswahlen/oberoesterreich/die-ooe-wahl-in-zahlen/2121447-Oberoesterreich-Wahl-Waehlerstromanalyse.html
SORA-Umfrage: https://strategieanalysen.at/wp-content/uploads/2021/09/SORA_ISA_Wahltagsbefragung-OOe-2021.pdf