"Bad News" are "Good News"?
Medien zwischen Clickbaiting und ausgewogener Berichterstattung
Die Medienlandschaft befindet sich in einer ständigen Veränderung. Die Digitalisierung hat sowohl die Arbeitsweise in Branche als auch das Leseverhalten der Medienkonsumenten drastisch verändert. Einen Überblick über diese Entwicklungen gibt der Digital News Report, eine jährlich erscheinende Studie des Reuters Institute, die das Nachrichtenverhalten in mehr als 40 Ländern vergleicht.
In Österreich sind 2025, nach TV (29,7 %), inzwischen die sozialen Medien (14,8 %), die am häufigsten genutzte Hauptnachrichtenquelle. Auch die Websites und Apps der Zeitungen (11,3 %) liegen noch vor den gedruckten Zeitungen (10 %).1
Nur 5 Jahre zuvor, sah dieses Ranking noch ganz anders aus: Im Jahr 2020 bezeichneten noch 16 % das Radio als wichtigste Nachrichtenquelle. Zeitungen lagen mit 14,4 % noch vor den Onlineangeboten (13,6 %), während die sozialen Medien mit 11,3 % nur den letzten Rang belegten. Das Fernsehen war damals wie heute der Spitzenreiter.1
Doch mit der Verschiebung hin zu digitalen Kanälen verändert sich nicht nur, wo wir Nachrichten konsumieren – sondern auch, welche Nachrichten überhaupt unsere Aufmerksamkeit bekommen. In einer Onlinewelt in der immer mehr die Klicks zählen stellt sich für die Redaktion immer mehr die Frage: Was verkauft sich besser?
Genau hier setzt eine chinesische Studie aus dem Jahr 2024 an. Sie untersucht, ob positive oder negative Schlagzeilen häufiger von jungen Menschen geklickt werden. Genannt wird dieses psychologische Phänomen auch „Negativitätsbias“, also die Tendenz, negative Informationen stärker wahrzunehmen und weiterzugeben.
Fakten zur Theorie
Im ersten Teil der Untersuchung bekamen die Studienteilnehmer positive und negative Schlagzeilen aus den drei Bereichen Finanzen, Internationales und Soziales vorgelegt. Es entschieden sich insgesamt 70,31 % der Studienteilnehmer für negative Schlagzeilen und nur 29,69 % für positive. Negative Inhalte werden also deutlich bevorzugt.
Im zweiten Studienabschnitt lasen die Probanden negative Artikel aus denselben Themenbereichen. Anschließend sollten sie einen eigenen Titel formulieren, so als würden sie es einer Bekannten erzählen. Die selbst formulierten Schlagzeilen wurden noch negativer als die ursprünglichen Schlagzeilen.2
Warum wir auf Negatives reagieren
„In der Frühgeschichte der Menschheit war es wohl wichtiger sich zu merken, wo ein gefährliches Löwenrudel auf der Jagd war, als wo die am besten schmeckenden Beeren wuchsen, schließlich ging von den Löwen eine deutlich höhere Gefahr für das eigene Überleben aus.“ So erklärt die Plattform „Anti-Bias“ den Ursprung des Negativitätsbias und empfiehlt, sich dieser Verzerrung bewusst zu werden.3 (Negativitätsbias – wenn das Glas halb leer ist - Anti-Bias)
Konkret bedeutet das für Journalisten und Journalistinnen, dass sie nicht nur Krisen und Konflikte beleuchten sollen, sondern auch positive Entwicklungen. Die Redaktionen stehen hier in der Verantwortung, denn die negativen Schlagzeilen erzielen mehr Aufmerksamkeit – doch sie prägen auch, wie wir die Welt wahrnehmen. „Bad News“ mögen kurzfristig „Good News“ für die Klickzahlen sein, doch auf lange Sicht gewinnen jene Medien, die Vertrauen schaffen – durch Ausgewogenheit und Qualität.
1 Gadringer, S., Sparviero, S., Trappel, J., Holzapfel, M. - Digital News Report Network Austria - Detailergebnisse 2025 (2025). https://digitalnewsreport.at/wp-content/uploads/2025/06/DNR_2025_170625.pdf
2 Zhang, M., Wu, H., Huang, Y. et al. Negative news headlines are more attractive: negativity bias in online news reading and sharing. Curr Psychol 43, 30156–30169 (2024). https://doi.org/10.1007/s12144-024-06646-6
3 Czihrlas, J., Anti-Bias. Negativitätsbias – wenn das Glas halb leer ist (2021). https://www.anti-bias.eu/biaseffekte/negativitaetsbias-wenn-das-glas-halb-leer-ist/
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Sarah Brandner
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