Herausforderungen und Möglichkeiten für die Medienlandschaft
Nachrichtenmüdigkeit und Vertrauensverlust als neue Konstanten in einer im Wandel begriffenen Medienwelt
Auch heuer gibt der Digital News Report wieder Aufschluss über das Verhältnis sich wandelnder Gesellschaften zu ihren Medienlandschaften. Das Reuters Institute hat dafür 47 Medienmärkte untersucht und dabei rund 95.000 Menschen zu ihrer Mediennutzung befragt, der Bericht für Österreich wurde vom Digital News Report Network Austria präsentiert. Die Studie soll Aufschluss geben über die Dynamiken im Nachrichtennutzungsverhalten im Kontext von Digitalisierung und Social Media sowie Herausforderungen und Entwicklungen des Mediensektors.
Kontinuitäten und Kehrtwenden
Die aktuellen Zahlen wurden Mitte Juni präsentiert und folgen zu einem überwiegenden Teil den Trends, die auch schon in den vergangenen Jahren seit Beginn der Corona-Pandemie erkennbar waren. Die weiter im Rückgang begriffene Nachrichtennutzung scheint sich zum einen aus einer Nachrichtenerschöpfung, einem Überdruss an Nachrichteninhalten abzuleiten, zum anderen aus einem weiter gesunkenen Vertrauen in Medien im Allgemeinen. Dieses hat seit dem Corona-Peak zu Beginn der Pandemie kontinuierlich abgenommen und befindet sich heuer somit auf dem Tiefstwert seit 2016. Österreich liegt damit im globalen Vergleich im unteren Drittel.
Die wichtigste Nachrichtenquelle in Österreich bleibt das Fernsehen, wobei auch hier ein Rückgang zu verzeichnen war. Ebenso hat der Konsum von Printmedien abgenommen; wichtiger hingegen wurden Radio-Nachrichtenprogramme sowie Soziale Medien. Trotz dieser Verschiebungen zeigt sich für den österreichischen Medienmarkt im globalen Vergleich die Besonderheit, dass die traditionelleren Nachrichtenkanäle - TV, Radio und Printzeitungen – überdurchschnittlich stark genutzt werden. Soziale Medien hingegen bleiben, trotz Zunahme ihrer Nutzung als Nachrichtenquelle, in Österreich weniger wichtig als im internationalen Vergleich.
Eine weitere Erkenntnis von Bedeutung für den Medienmarkt ist die abnehmende Bereitschaft von Nutzer:innen, für Online-Medien zu bezahlen. Dies stellt eine Abkehr vom Aufwärts-Trend der vergangenen Jahre dar. Laut Studienautor:innen deutet dies an, dass sich dieser Wert wohl im aktuellen Bereich einpendeln könnte. Auch wenn österreichische Medienkonsument:innen hier immer noch über dem globalen Durchschnitt liegen, ist dies wohl keine erfreuliche Nachricht für Medienschaffende – insbesondere nach einem Jahr, welches das Ende der Wiener Zeitung im Print sowie die Reform der ORF-Finanzierung und damit einhergehend eine Verschmälerung des Online-Auftritts des ORF gesehen hat.
Dynamiken der Digitalisierung
Auch vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage nach den Potenzialen Künstlicher Intelligenz im Nachrichtenbereich an Bedeutung. Die allgemeine öffentliche Skepsis zum Thema ist auch hier spürbar - wobei Nachrichtenkonsument:innen dem Einsatz generativer KI in Bereichen wie der Sportberichterstattung gegenüber deutlich offener sind als etwa in der politischen Berichterstattung.
Besondere Bedeutung kommt digitalen Technologien im Nachrichtensektor auch zu, weil sich der Konsum von Nachrichten zunehmend auch bei den sozialen Medien und damit auf Plattformen verlagert, deren Kerngeschäft im Marketing und dem Data Mining liegen. Sie folgen dem Primat der Erregung von Aufmerksamkeit; Clickability und Verweildauer in den Apps lauten die Maximen. Medienanbieter:innen wie Verlage und Rundfunkhäuser stehen hier vor einer besonderen Herausforderung: Sie müssen den Regeln dieser Plattformen folgen, um auf ihnen relevante Reichweiten zu erzielen und für einen öffentlichen Diskurs, der sich zunehmend in die sozialen Medien verlagert, von Bedeutung zu bleiben. Gleichzeitig sind sie anderen qualitativen Ansprüchen des Journalismus verpflichtet. Anders als bei der redaktionellen Bearbeitung in-house ist damit nicht die markenspezifische Ausrichtung an Zielpublikum und Qualitätsstandards entscheidend für eine Veröffentlichung, sondern die Verwertbarkeit via Algorithmen, die in dritter Hand liegen.
Die Strategien von Verlagen und Medienanbieter:innen, um diesem Dilemma zu begegnen, fallen unterschiedlich aus. Die Fokussierung auf Nischen wie Online-Foren oder den Vorstoß in die Podcast-Sparte sind hier Beispiele. Vor allem letzterer Ansatz scheint vor dem Hintergrund des Zugewinns an Bedeutung des Radios als Informationsquelle vielversprechend. Podcasts scheinen hier als eine der Paradedisziplinen des Infotainment den oben beschriebenen Spagat gut zu bewerkstelligen. Dabei gewinnt der Unterhaltungswert an Bedeutung als relevanter Parameter in den wünschenswerten Qualitäten von Journalismus und Informationsvermittlung.
Diese Aufweichung konventioneller Disziplinen in der Medienlandschaft scheint sich auch in anderen Bereichen durchzusetzen: Wie vergangene Woche bekannt geworden ist, soll die Vorwissenschaftliche Arbeit als bislang verpflichtender Teil der Matura abgelöst werden, weil KI-Plagiate aufgrund verbesserter Sprachmodelle nicht mehr zuverlässig genug erkannt werden können. Stattdessen kann etwa ein Podcast als Teil einer Maturaarbeit eingereicht werden. In Zeiten weit verbreiteter Wissenschaftsskepsis und des gezielten Einsatzes von Desinformationskampagnen als politischem Mittel auch auf internationaler Ebene ist diese unterstützte Abkehr vom wissenschaftlichen Arbeiten gewiss eine interessante Entwicklung. Gleichzeitig setzt sich damit auch die Tendenz zur Demokratisierung von Medienlandschaften fort: Die Schaffung und das Verbreiten von Inhalten sind, digitalen partizipativen Plattformen sei Dank, eben nicht mehr etablierten Anbieter:innen vorbehalten. Diese Entwicklung bietet Chancen und Gefahren: Das Medienangebot wird damit diverser und für bislang im öffentlichen Diskurs marginalisierte Gruppen wird es bedeutend einfacher, an der Medienlandschaft nicht nur als Konsument:innen teilzuhaben. Gleichzeitig wächst damit auch die Notwendigkeit der Medienkompetenz Einzelner, um sich vor dem Einfluss von Fake News – auf individueller wie auch gesellschaftlicher Ebene – zu schützen. Gerade angesichts einer erheblichen Nachrichtenerschöpfung wird diese Stärkung der Medienkompetenz gewiss zu einer besonderen Herausforderung der nächsten Jahre.
Dies betrifft bei Weitem nicht nur die jüngeren Mediennutzer:innen. Hier werden für jene, die ihre politische und mediale Bildung vornehmlich zur Hochzeit der Printmedien aufgebaut haben und die Digital Natives potenziell unterschiedliche Strategien notwendig sein.
Problem oder Potential?
Die Studienautor:innen betonen als eine zentrale Erkenntnis des diesjährigen Reports jedenfalls die Notwendigkeit für die Medienlandschaft im Kampf um das Vertrauen ihrer Zielgruppen und um sich auf dem Sektor der Nachrichten-Berichterstattung gegen andere Plattformen mit anderen Geschäftsmodellen und –zielen durchzusetzen, sich auf die besonderen Qualitäten von Journalismus gegenüber dem Generieren von Inhalten zum Zweck von Unterhaltung und Marketing zu besinnen, und diese gezielter zu kommunizieren. Dazu zählt wohl maßgeblich eine größere Transparenz bezüglich Rechercheprozessen wie auch der ethischen Standards – und nicht zuletzt Bemühungen, diese dem Zielpublikum auch nachdrücklich zu kommunizieren. Es bleibt spannend, auf welche Arten unterschiedliche Medien diese Aspekte im laufenden Superwahljahr noch zeigen.
Diese komplexen Veränderungen stellen Herausforderungen für alle Medienschaffenden dar - genauso aber auch für jene, die auf gezielte Medienarbeit setzen, um Inhalte an ihre Zielgruppen zu kommunizieren. Sie verändern Prozesse des öffentlichen Diskurses und der Meinungsbildung, und machen neue Strategien der öffentlichen Kommunikation notwendig. Um genau diese Dynamiken zielgerichtet zu nutzen, ist ein Verständnis nicht nur der allgemeinen Trends sondern der in den spezifischen, für unsere Kund:innen relevanten Medienmärkten, vorherrschenden Entwicklungen unerlässlich. Unsere Analyse liefert genau diese Einblicke: Maßgeschneiderte Datenerhebung und Analyse bildet gemeinsam mit langjähriger Erfahrung und tiefem Verständnis der Medienlandschaft die Basis für eine konstruktive Bearbeitung der Anliegen unserer Kund:innen.
Quellen:
Digital News Report 2024. Detailergebnisse für Österreich; Präsentation der neuen Daten & Podiumsdiskussion am 13.06.2024 in Wien. PDF und Aufzeichnung der Veranstaltung abrufbar unter www.digitalnewsreport.at
Bild:
KI-generiert mithilfe von ChatGPT
Rückfragen:
Lena Brody
l.brody@mediaaffairs.at